Maria, ihm schmeckt’s nicht!

Geschichten von meiner italienischen Sippe. Mit einer neuen Geschichte!
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ISBN-13:
9783548264264
Veröffentl:
2006
Einband:
Taschenbuch
Seiten:
288
Autor:
Jan Weiler
Gewicht:
280 g
SKU:
INF1000249478
Sprache:
Deutsch
Beschreibung:
»Ein wunderbar witziges, warmherziges Buch. Wer noch keine italienischen Verwandten hat, wird nach der Lektüre unbedingt welche haben wollen.« Axel Hacke

»Ein unverzichtbarer Beitrag zur deutsch-italienischen Freundschaft. Und saukomisch.« Stern

»Jan Weiler spielt gewitzt mit Sprach- und Nationenstereotypen.« Der Spiegel

»Hilft garantiert gegen trübe Tage« Für Sie

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»Als ich meine Frau heiratete, konnte ihre süditalienische Familie leider nicht dabei sein. Zu weit, zu teuer, zu kalt. Schade, dachte ich und öffnete ihr Geschenk. Zum Vorschein kam ein monströser Schwan aus Porzellan mit einem großen Loch im Rücken, in das man Bonbons füllt. Menschen, die einem so etwas schenken, muss man einfach kennen lernen. Das ist die herrlich komische Geschichte einer unglaublichen Verwandtschaft aus dem unbekannten italienischen Bundesland Molise, das laut seiner Bewohner »am A? der Welt« liegt.
Ein Fremder steht vor der Tür. Das bin ich. Genau genommen bin ich nicht nur den Menschen hinter der Tür fremd, sondern vor allem mir selber. Ich habe mich nämlich mit einem Strauß Blumen als Schwiegersohn verkleidet. So kenne ich mich nicht, denn ich habe noch nie Schnittblumen an Menschen verschenkt, die nicht entweder zu meiner Familie gehörten oder wenigstens gleichaltrig und weiblich waren. Man bittet auch nicht sehr häufig im Leben um die Hand einer Tochter. Da kann man sich schon mal vor sich selber fremd fühlen. Es ist unser erster gemeinsamer Besuch bei ihren Eltern.Zwar sind wir bereits mehr als zwei Jahre zusammen, aber ich kenne bisher nur ihre Schwester und sie. Das reicht ja auch, fand ich bisher. Dann jedoch machte ich Sara einen Heiratsantrag, was bei uns wie bei den meisten Menschen zu einem Besuch bei den Eltern führte. Sara steht hinter mir und schubst mich. Wir sind mehr als sechshundert Kilometer gefahren, und dabei erzählte Sara fast die ganze Zeit von ihrem Vater, der ihr den wundervollen Nachnamen Marcipane vererbt hat. Er sei ein wenig anstrengend, sagte sie. Manche fänden ihn wunderlich. Andere hätten sogar Angst vor ihm, aber das verstehe sie nicht. Er sei eine echte Nummer. Er habe Humor. Verstand, Appetit. Sei großzügig. Und besitze nun einmal die Angewohnheit, ohne Unterbrechung zu reden, wenn er sich wohl fühle. Da er sich die meiste Zeit seines Lebens ungemein wohl fühle, habe dies nun zur Folge, dass er von morgens bis abends rede. Das habe ihr früher in der Jugendzeit den letzten Nerv geraubt. Er habe damals ihre Verehrer, allesamt Deppen, wie sie etwas zu deutlich betont, regelrecht aus dem Haus gequasselt. Nun sei das alles nicht mehr so schlimm, er werde ja älter. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, ist mir nicht klar. Ihr Vater sei, dozierte Sara, eine Art Windmaschine, die aber nicht nur Luft bewege, sondern auch Herzen. Er sei kaum zu Argem imstande, und wenn er doch mal sauer werde, dann doch nur um des Effektes willen, denn für wahren Zorn sei er eigentlich zu ignorant. Nichts interessiere ihn so sehr, dass es ihn wirklich aufregen könne. Dann fügte sie noch hinzu, dass es eigentlich nur eine Gefahr gebe, und die trete ein, wenn er nichts mehr sage, stumm bliebe. Je nach Dauer des Schweigens könne man sich dann auf Ärger einstellen, mitunter auf großen Ärger. Kompliziert, dachte ich und fragte: »Und was ist mit deiner Mutter?« Bisher weiß ich nur, dass Saras Mutter Ursula heißt, aus dem Rheinland kommt und die Geduld eines belgischen Brauereipferdes besitzt. Auf einem Jugendbild, das auf Saras Schreibtisch steht, ähnelt Ursula ihrer Tochter: sehr schmaler Mund, kleine Nase, viele Sommersprossen drum herum. Ihre Augen und die blonden, eigentlich unitalienischen Haare muss Sara aber von ihrem Vater haben. »Meine Mutter ist das komplette Gegenteil von Papa«, sagte sie. »Ich habe echt keinen Schimmer, wie die das Gequassel aushält, aber immerhin sind die beiden schon knapp fünfunddreißig Jahre zusammen. Irgendwie muss es also funktionieren.« Als wir das Auto parkten, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn er mich nicht mag? Wenn er mir den kleinen Finger nach alter italienischer Väter Sitte abschneidet und ihn in einem mit bitterem Mandelduft parfümierten Briefumschlag meinen Eltern schickt, um diese zum Wohle eines landsmannschaftlichen Vereins zu erpressen? Wenn ich dann also in einem niederrheinischen Reihenhauskeller verblutend auf Nachricht warte und oben meine dann ja wohl Exfreundin mit den Kumpanen ihres Vaters heiser lachen höre? Meine Sorgen scheinen etwas übertrieben und speisen sich aus einer sehr exakten Unkenntnis des italienischen Wesens. Eigentlich habe ich es bisher nur mit drei Italienern wirklich zu tun gehabt, wenn man mal die Kellner in Pizzerien und Hotelangestellten in den Dolomiten beiseite lässt, zu denen ich im Laufe meines Lebens zwar Kontakt, aber kein irgendwie geartetes Verhältnis hatte. Doch ich kenne auch nur zwei Franzosen und drei Engländer sowie eine Spa nierin, einen Sachsen und überhaupt keinen Dänen. Insofern ist drei schon wieder viel. Der Name des ersten Italieners ist mir bis heute unbekannt. Er verkaufte Eis und schenkte mir im Siegestaumel nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1982 eine Portion mit drei Kugeln. So viele Tore hatten die Italiener damals in Madrid gegen die Deutschen erzielt. Alle Tore fielen in der zweiten Halbzeit durch Rossi, Tardelli und Altobelli. Paul Breitner schoss auch noch eines für die schwachen Deutschen, dann waren die Italiener Weltmeister und knapp zehn Minuten später bimmelte der Eismann. Ich war sein Stammkunde. Im Sommer wartete ich täglich auf das Klingeln seines Eiswagens, mit dem er langsam durch unsere Siedlung fuhr. Dann sprang ich auf mein Fahrrad und jagte der Glocke nach, bis ich ihn endlich einholte und zum Anhalten zwang. Ich bestellte Banane und Vanille, manchmal Heidelbeere, der blauen Zunge wegen, und er bediente mich in betont geschäftsmäßiger Manier, als sei ich ein Rothschild. Unsere Konversation beschränkte sich auf das Nötigste, und deshalb kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ob er nicht am Ende gar kein Italiener war, sondern vielleicht Zypriote mit portugiesischem Pass oder Türke oder Kroate. Da er nun aber in einem mit einer italienischen Fahne bemalten Kleinbus unterwegs war, liegt die Vermutung zumindest nahe, dass er tatsächlich aus Cortina in den Dolomiten war, wo das italienische Eis herkommt. Der zweite Italiener, mit dem ich mehr als eine flüchtige Erinnerung verbinde, war Masseur. Signor Pantoni hatte stark behaarte Arme und roch nach Zitronenöl. Ich wurde zu ihm überwiesen, weil ich im Nackenwirbelbereich irgendwie unlocker und kaum den Kopf zu wenden in der Lage war. Signor Pantoni nahm meinen Schädel in die Hand, sah mir in die Augen und sagte: »Mal sehn wie iste Blockierung.« Dann drehte er meinen Kopf so lange gegen den Uhrzeigersinn, bis es gar nicht mehr wehtat. Dabei brummte er Lieder, deren Melodie er immer genau dann betonte, wenn er mir besonders zusetzte. Er bearbeitete meine Schulter und den Rücken mit seinen Riesenhänden, und einmal sagte ich im Spaß: »Sie sollten Pizzateig kneten.« Signor Pantoni grunzte unverständlich und klatschte dann in die Hände. »So, fertig, nächste Woche komme Sie wieder und mache wir Übungen für die Kopfe.« Daraus wurde dann aber nichts, denn Pantoni schloss über Nacht seine Praxis und verschwand spurlos. Der Arzt, der mich zu ihm überwiesen hatte, erzählte mir, dass Pantoni gar kein Masseur gewesen sei, dass er eigentlich gar keine Erlaubnis zum Massieren und erst recht nicht für krankengymnastische Therapien hatte, sondern sein Geld abends mit dem Kneten von Pizzateig in einer Düsseldorfer Pizzeria verdiente. Wenig später stand der Fall in der Zeitung und es wurden Geschädigte gesucht. Ich fühlte mich aber keineswegs von ihm geschädigt, höchstens durch den Umstand, dass er einfach abgehauen war. Also meldete ich mich nicht. Der dritte Italiener, mit dem ich es zu tun bekam, war genau genommen eine Halbitalienerin. Ich lernte sie eines Tages beim Bäcker kennen, als ich nicht genug Geld für Brötchen dabeihatte und sie mir mit zwei Mark aushalf. Ich kann nur jeden ermuntern, nicht genug Geld dabeizuhaben, für den Fall, dass man die Frau seines Lebens kennen lernen möchte. Allerdings muss man darauf achten, dass man nicht vor halb neun morgens in der Bäckerei kein Geld hat, denn da trifft man nur Handwerker oder überspannte Senioren und das ist ja nicht unbedingt Sinn der Sache. Diese Italienerin, die mir mit zwei Mark aushalf, war Sara, und wenn ich vor dem Einkaufen zum Geldautomaten gegangen wäre, könnte ich jetzt nicht vor der Tür ihres Vaters stehen. Jedenfalls hörte ich mich seinerzeit den schwachsinnigen, aber be Kaum zwei Jahre später stehen wir also vor dem Reihenendhaus ihrer Eltern. Der Klassiker mit roten Backsteinen. Neben der Haustür rechts das kleine Klofenster. Links das große von der Küche. Die Architektur eines Reihenhauses beruht auf der Stapelung einer Fünfzimmerwohnung. Während man jedoch vor einer Fünfzimmerwohnung stehend nie genau weiß, wie sie geschnitten sein wird, ist dies bei Reihenhäusern absolut sicher. Das Haus der Marcipanes unterscheidet sich in nichts von jenen etwa acht Millionen Reihenhäusern, die es sonst noch überall in Deutschland gibt. Gewöhnlich kommt bei diesem Menschenverwahrtypus hinter dem Eingang erst einmal die so genannte Schmutzschleuse. Dort kann man sich die Schuhe ausziehen, rechts geht?s ins Klo. Die Kloschüssel ist unter dem Fenster angebracht. Links vom Hauseingang die Küche, die immer eine zweite Tür zum Wohnzimmer hat. Im Flur geht rechts eine geschwungene Treppe nach oben und nach unten. Den Grad der Bürgerlichkeit der Bewohner vermag der geübte Reihenhausbesucher an Geländern und Stufen abzulesen. Sind diese zum Beispiel von matter schmiedeeiserner Eleganz, so hat man es fast immer mit Volksmusikfreunden zu tun, während die ungehemmte Verwendung von astlochreichen Holzsorten unschwer auf Pädagogen schließen lässt. Auf der linken Seite des Flures immer: Telefontischchen und Garderobe. Geradeaus führt der Weg ins Wohnzimmer dessen Türen immer Fenster haben, weil sonst zu wenig Licht in den Flur fällt. Meistens sind diese Fenster aus geriffeltem Glas oder haben eine rustikale Butzenscheibenoptik, die zu den Schwanenhalsgriffen an den Türen passt.
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